Jahresrückblick einer Forelle
Wieder ist ein Jahr schneller zu Ende gegangen, als das manchem sicherlich lieb ist. Oder etwa nicht? Sind die meisten Menschen froh, dass das Jahr kurz vor dem Ende steht? Hat das Negative im 2022 an Überhand gewonnen oder gab es trotzdem Lichtblicke? Genau diese Fragen stellt sich die kleine Regenbogenforelle Ina in der heutigen #3WSTORY. Viel Spass.
Die kleine Regenbogenforelle Ina schwimmt ruhig und gemächlich ihre Runden im kühler gewordenen Bergsee. Wieder kann sie auf ein erlebnisreiches Jahr zurückblicken und ist glücklick, dass sie überhaupt noch ihre Runden drehen kann. Viele ihrer Kollegen und Kolleginnen sind nicht mehr da und sind dem Jahr 2022 zum Opfer gefallen. Eigentlich doch ein Grund, mit dem eigenen Fischleben zufrieden zu sein, denkt sie sich und lässt im Kopf das vergangene Jahr nochmals Revue passieren.
Es begann alles so, wie es bereits im letzten Jahr aufgehört hat. Die
Stimmung am See war ruhig und rundherum war die Landschaft weiss. Es
war eine Zeit der Einsamkeit und dennoch der Entspannung. Zwischendurch
traf sie den ein oder die andere Forelle oder tauschte sich auch einmal
mit einem Saibling aus. Die Futtersuche gestaltete sich etwas schwierig
und entsprechend mager fiel die Nahrung aus. Doch die kleine
Regenbogenforelle Ina wusste sich in dieser Zeit sehr gut zu helfen und
bewegte sich entsprechend wenig. So verbrauchte sie auch nicht viele
Energiezellen.
Im Frühling, als dann die ersten wärmeren Sonnenstrahlen auf die
Wasseroberfläche trafen, wurde auch das Leben im und um den See herum
wieder etwas aktiver. Auch Ina begab sich auf grössere Runden und
entdeckte immer wieder neue, spannende Orte im See, an denen sie noch
nie war. Einmal traf sie sogar auf Edgar, seiner Art Kröte und
verbrachte bei ihm einen tollen, interessanten Tag.
Doch das vergangene Jahr ist nicht nur von schönen Erinnerungen
geprägt. Da gab es auch diesen Sonntagmorgen im Sommer, als Ina
gemütlich ihre Runden im See drehte um nach Nahrung zu suchen. Sie
bemerkte nicht, dass an diesem Tag auch andere Lebewesen nach Nahrung
suchten. So drehte sich vor ihr ein Regenwurm an der Wasseroberfläche.
Zu erwähnen an dieser Stelle ist, dass Regenwürmer zur Leibspeise von
Ina gehören. Entsprechend klar war für sie, dass dieser Regenwurm bald
in ihrem Verdauungstrakt enden würde. "Flup" und schon war er drin, doch
nicht nur der Wurm. Ein grosser Schmerz überfiel sie kurz nachdem sie
ihn packte. Etwas Silbriges steckte in ihrem Rachen. Voller Panik schlug
sie wie wild um sich und bemerkte nicht, dass sie gleichzeitig immer
näher ans Ufer des Sees gezogen wurde. Durch den Kampf im Wasser, wurden
die Schmerzen immer grösser. Gleichzeitig schwand ihre Energie und sie
bemerkte, dass heute wohl ihr letzter Tag im See und auf dieser Welt
sein würde.
Sollte sie sich aufgeben und den Tatsachen ins Auge sehen oder sollte
sie weiterkämpfen und hoffen, dass es für sie gut ausgehen würde? Die
kleine Ina kämpfte weiter. Doch nichts half. Es kam so wie es kommen
musste. Bald sah sie einen grossen Menschen vor sich, der sich die
grösste Mühe gab, sie aus dem Wasser zu ziehen. Bald hing sie in der
Luft an einer Schnur und zappelte weiter wie wild. Jetzt bemerkte sie,
dass ihr auch die Luft plötzlich ausging und sie kaum mehr atmen konnte.
Jetzt ist er da, der Moment des Endes. So sollte ihr Fischleben also
enden. Dennoch kämpfte sie weiter, zappelte und drehte sich in der Luft
und sah dem Menschen, der ihr das alles antat, bereits in die Augen.
Dass Ina heute noch ihre Runden im See drehen kann, ist nur dank der
kleinen Tochter des Fischers möglich. Diese sah, wie sie um ihr Leben
kämpfte und brachte es nicht übers Herz, dass ihr Vater das kleine
Fischleben auslöschen würde. So befreiten die beiden Ina aus ihrer
misslichen Lage von der Angelschnur und legten sie behutsam wieder
zurück ins Wasser.
Die kleine Regenbogenforelle hat an diesem Tag sehr viel gelernt und
seither nie mehr einen Regenwurm angerührt, der an der Wasseroberfläche
geschwommen ist.
So fallen Ina noch viele weitere Erlebnisse ein, während sie weiter im See umherschwimmt.
Was ist Ihnen vom 2022 in Erinnerung geblieben? Welche positiven und
negativen Erfahrungen haben Sie gesammelt? Fühlten Sie sich auch einmal
in der Situation wie die kleine Ina und waren auf fremde Hilfe
angewiesen? Jedes Jahr hat seine guten und schlechten Zeiten. So ist das
Leben. Doch wenn wir alle etwas mehr Rücksicht aufeinander nehmen und
uns auch mit weniger zufrieden geben und uns auf die wirklich
wesentlichen Dinge im Leben fokussieren, dann werden in Zukunft die
positiven Erfahrungen überwiegen.
In diesem Sinne wünsche ich Ihnen frohe Weihnachten und einen guten Rutsch ins neue Jahr.
Besinnliche Grüsse
Thomas Schüpfer